Montag, 9. Juni 2014

Mein Kirchentagsresümee: Das ganze Pralle Leben

Mit mehr als hundert Beiträgen hat die Internetredaktion der Gebietskirche Berlin-Brandenburg den Kirchentag begleitet und abgebildet. Hier nun ziehen wir Bloggenden nach und nach unsere ganz persönlichen Kirchentagsbilanzen.


Ich sollte mal im Katechismus nachschlagen, ob der gemeine neuapostolische Christ eigentlich auch daran glaubt, dass Petrus fürs Wetter zuständig ist. Bei all den Lehrreformen der Kirche kommt man ja kaum noch hinterher. Aber sollte es so sein: Alle Achtung, da hat der alte Apostel sich ordentlich ins Zeug gelegt. Fast möchte man sagen: Er hat es ein bisschen zu gut gemeint. Sengende Hitze überm Münchner Olympiagelände und das drei Tage lang. Puh. Aber: Das ist natürlich kein Grund zur Klage. Kirchentage, ganz gleich welcher Konfession, sind selten Feste der Erholung und Entspannung.

Und genauso empfand ich es auch hier, beim ersten Internationalen Kirchentag der NAK. Angereist mit der gesamten Familie - drei Kindern zwischen eins und zehn und zwei Erwachsenen zwischen 39 und 39 - im Bus mit etwas über 50 Gemeindemitgliedern. Schon allein dies: ein Abenteuer. Acht Stunden Fahrt von der Bundes- in die bayerische Landeshauptstadt. Und am Ort des Geschehens dann immer am Rande der Überforderung: das heiße Wetter, das volle Programm, die Abstimmungsprozesse mit der Familie, was schaut man sich gemeinsam an und was jeder für sich. Und wo ist jetzt schon wieder der Einjährige? Warum mischt sich dieses Kind eigentlich permanent unter die Menschenmenge, bloß weg von seiner Bezugsgruppe? Wir müssen furchtbare Eltern sein. Ach, da ist er ja! Am Gullydeckel vorm Olympiahallen-Eingang. Was hat er da jetzt reingeworfen? Egal.

Klingt anstrengend? War es auch. Wohl für alle, ob mit oder ohne Kind. Aber auch: so schön! Drei Tage lang gelöste Stimmung auf dem Olympiagelände. 50.000 gut gelaunte Menschen - sieht man von der einen Ausnahme am Currywurststand ab, dem Mann vor mir, der sich über einen Euro Becherpfand echauffierte. Großes Kino, das nicht im Guide verzeichnet war. Aber letztendlich auch etwas sehr Wohltuendes. Die Erkenntnis: Wenn zehntausende „Neuapostolen“ aufeinander hocken, dann geht es da nicht überirdisch himmlisch, sondern einfach mal ganz menschlich zu. Wie schön! Und allein dafür war dieser Kirchentag nach meinem Empfinden wichtig: sich in großer Runde gegenseitig zu versichern, dass gelebter Glaube nicht primär etwas mit Sonntagsfrömmigkeit und stiller Andacht zu tun hat, sondern vor allem mit der Art und Weise wie wir uns und anderen außerhalb heiliger Gottesdienstmomente begegnen. Und wie gelassen wir gegenseitig mit unserer Fehlbarkeit umgehen. Etwas, das sich auch im Pfingstgottesdienst widerspiegelte: dass sich die Liebe zu Gott darin ausdrückt, wie wir es mit unserem Nächsten, unseren Nachbarn und unseren Glaubensgenossen halten.

Wer 2009 bereits den Europa-Jugendtag in Düsseldorf erlebt hatte, erlebte den IKT wohl als nahtlose Fortsetzung. Und doch gab es da einen bedeutsamen Unterschied: Hier, in München trafen nicht nur Jugendliche und ein paar sich mehr oder weniger jung fühlende Jugendbetreuer aufeinander. Es war ein Kirchen- und kein Jugendtag. Und wer sich umsah, erblickte einen Querschnitt durch die Gemeinden: Menschen fast jeden Alters und mutmaßlich auch aus allen sozialen Schichten waren hier angereist. Menschen, mit ganz unterschiedlichen Biografien, Bedürfnissen und Glaubenserfahrungen. Was sich letztlich auch im Programm des Kirchentags widerspiegelte: Da standen Workshops zu ethischen Fragen neben Vorträgen über Glaubensthemen neben Hoch- und Popkultur. Das ganze pralle Leben, mit seinen Licht- und Schattenseiten, verdichtet auf wenige Quadratmeter und Stunden. Und damit die Erkenntnis, dass dieses ganze pralle Leben ein Geschenk des Himmels ist. Nicht nur die heiligen Momente. Und dass all die Gaben, die zum Einsatz kamen bei diesem Kirchentag, auch dann ein Geschenk Gottes sind, wenn sie außerhalb der Kirchenmauern zum Einsatz kommen. Auch als etwa die Indy-Band „The Carriers“ am Freitagabend den Kirchentag rockte, rockte sie mit göttlichen Gaben. Das zu fühlen, weitet den Blick für den Alltag ungemein.

Und nun also bin ich wieder in Berlin. Nach rund 50 Stunden Kirchentagserleben. Zurück mit dem guten Gefühl, dass es mehr war als nur ein Event, dass für die Kirche und auch die Kirchentagsbesucher kein billiges Vergnügen war. Nein, da wird etwas zurücktransportiert in die Gemeinden. Nicht nur beseligende Erinnerung an ein nicht alltägliches Gemeinschaftserlebnis, sondern ein Mosaik aus ganz vielen persönlichen Erfahrungen und Horizonterweiterungen. Was aber bedeutet: Nun ist jede und jeder einzelne gefragt, die eigenen Mosaikteilchen in die eigene Gemeinde einzubringen. Oder um es im Kontext der Pfingstpredigt zu sagen: zu geben. Wie hat es Stammapostel Jean-Luc Schneider in seiner Predigt formuliert? „Konsumverhalten hat in der Kirche keinen Platz.“ Klare Kante, könnte man sagen. Ich verstehe es so: Wenn alle von dem abgeben, was ihren Glauben belebt und bewegt, haben alle Gebenden auch reichlich zu nehmen.

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